Intreview mit Serge Wilmes im Luxemburger Wort

"Jetzt ist der Moment zu handeln"

Interview: Luxemburger Wort (Michèle Gantenbein)

Luxemburger Wort: Serge Wilmes, laut dem jüngsten Bericht des UN-Umweltprogramms steuert die Erde auf eine Erwärmung von 3 Grad bis 2100 zu. Klimaschutzorganisationen fordern die Staaten deshalb zu ambitionierteren Klimaschutzzielen auf. Die EU hat ein Verhandlungspapier ausgearbeitet, konnte sich aber noch nicht einmal auf eine Erhöhung der Reduktionsziele um 2 Prozent einigen. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Staaten ihre Reduktionsziele hochschrauben?

Serge Wilmes: Ja, auf jeden Fall. Dieses Jahr wird eine Bestandsaufnahme gemacht und die zeigt, dass die Weltgemeinschaft noch nicht on track ist, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Nun ist die EU auf einem guten Weg, aber es ist völlig klar, dass größere Anstrengungen gemacht werden müssen. Die EU hat sich in ihrem Verhandlungspapier ganz deutlich dafür ausgesprochen, dass das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen eingehalten wird. Deshalb sind mehr Aktionen notwendig, die auch schneller erfolgen müssen.

Luxemburger Wort: Luxemburg liegt mit der Reduzierung der CO2-Emissionen momentan auf Kurs. Angesichts des schnellen Vorankommens: Wird die Regierung Luxemburgs Reduktionsziele bis 2030 hochschrauben und wenn ja, um wie viel?

Serge Wilmes: Wir haben als Ziel, unsere CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken. Ich will höhere Reduktionsziele nicht ausschließen, aber wir sollten erst einmal zusehen, dass wir unsere Ziele erreichen. Wobei ich darauf hinweisen möchte, dass die Regierung beschlossen hat, den nationalen Energie- und Klimaplan (PNEC) fortlaufend anzupassen. Wir wollen eine ambitionierte Klimapolitik in Luxemburg machen. Wir werden massiv und schneller in den Ausbau von erneuerbaren Energien investieren. Je nachdem, wie schnell wir vorankommen, werden wir die Ziele noch einmal anpassen.

Luxemburger Wort: Sehen Sie die Gefahr, dass die politische Lage in der Welt (Ukraine, Gaza-Streifen) die Klimakrise in den Hintergrund drängt und verhindert, dass die Weltgemeinschaft die notwendige Klimakurskorrektur vornimmt?

Serge Wilmes: Die Gefahr besteht. Auf der anderen Seite sehen wir, dass der Klimawandel real ist. Auch in Luxemburg. Die Menschen sehen, dass unsere Wälder nicht mehr in einem guten Zustand sind. Die politisch Verantwortlichen sind gefordert, weitere Maßnahmen zu ergreifen und den Kampf gegen den Klimawandel zu verstärken. Ausschlaggebend wird sein, ob die großen Akteure - die EU, die USA, China und weitere wichtige Staaten - sich auf eine ambitionierte, gemeinsame Linie einigen können.

Luxemburger Wort: China gehört weltweit zu den größten CO2-Emittenten, war aber bislang unter dem Vorwand, ein Entwicklungsland zu sein, nicht bereit, sich an der internationalen Klimafinanzierung zu beteiligen. Halten Sie die Anstrengungen Chinas gegen den Klimawandel für ausreichend und werden Sie sich dafür einsetzen, dass China sich an der Klimafinanzierung beteiligt?

Serge Wilmes: Ob die Anstrengungen ausreichend sind, kann ich nicht bewerten, da mir die Daten zur chinesischen Klimapolitik fehlen. Was wir aber sehen, ist, dass China viel in erneuerbare Energien und Elektromobilität investiert. Meine Beamten, die schon länger dabei sind, haben mir versichert, dass China eine wichtige Rolle beim Finden einer gemeinsamen Position gespielt hat, auch wenn China dabei seine eigenen Interessen nicht aus den Augen verloren hat. Aber man kann nicht sagen, dass China immer nur blockiert und sich nicht bewegt. Klar ist: Wir brauchen China, wenn wir die Ziele erreichen wollen. Und wir müssen China klarmachen, dass es nicht mehr als Entwicklungsland betrachtet werden kann. Immerhin entspricht das auch in anderen Bereichen nicht Chinas Selbstverständnis. Länder, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind und keine Mittel haben, um dagegen anzugehen, brauchen die finanzielle Unterstützung und die Solidarität Chinas.

Luxemburger Wort: 2023 wird wohl als das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen eingehen. Es wurden neue Hitzerekorde erreicht, es gab zahlreiche Waldbrände und Überflutungen. Sie sind Vater von drei kleinen Kindern. Haben Sie eigentlich Angst um die Zukunft der jungen Generation?

Serge Wilmes: Generell lasse ich mich nicht von Angst leiten. Aber natürlich mache ich mir Sorgen. Ich wollte als Politiker Verantwortung übernehmen. In der Stadt Luxemburg habe ich mir ganz bewusst den Bereich Umwelt ausgesucht. Als Minister kann ich noch mehr bewirken. Ich möchte, dass die künftigen Generationen eine lebenswerte Welt vorfinden. Jetzt ist der Moment, zu handeln.

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